Luther auf das Maul schauen

Vortrag „LUTHER AUF DAS MAUL schauen – Revolution & Reformation in Mitteleuropa“ mit Daniel Kulla

28. Mai 2017
16:00 Uhr
Mehrgenerationenhaus Harold & Maude
Sternstraße 14
Lutherstadt Wittenberg

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Gefördert durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen-Anhalt.

Hinweise

  • Der Deutsche Evangelische Kirchentag, der Anlass zur kritischen Auseinandersetzung mit der Reformation ist, wird wohl die Rahmenbedingungen der Veranstaltung prägen. So werden aus einigen Städten Sonderzüge nach Wittenberg fahren. Außerdem wird sich die Suche nach einem Hotelzimmer sehr schwierig gestalten.
  • Der Eintritt ist frei.
  • Zur Einstimmung sei der im Jahr 2014 auf Einladung des AK Zweifel&Diskurs in Wittenberg gehaltene Vortrag von Prof. Dr. Andreas Pangritz empfohlen.
  • Entsprechend § 6 Abs. 1 VersG sind Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, von der Versammlung ausgeschlossen.
  • Eine gesellige Abendgestaltung ist eingeplant.

Thema des Vortrags

Wo stand Luther, als vor 500 Jahren in weiten Teilen Europas die Feudalordnung revolutionär erschüttert wurde? Wen feuerte er an, als fast im gesamten deutschsprachigen Raum ein „Bauernkrieg“ gegen Kaiser, Fürsten, Kirche und Fugger tobte? Hatte Luther nicht zunächst aber den einfachen Leuten den Haupttext ihrer ideologischen Beherrschung erstmals verständlich in die Hand gegeben? Wie kommt es, daß von den damaligen Geschehnissen vor allem Luthers Thesenanschlag zu Wittenberg im Gedächtnis blieb, von den damaligen Klassenspaltungen und erbitterten Kämpfen fast nur die Erinnerung an religiöse Schismen und ihre heutigen konfessionellen Entsprechungen?

Der Autor, Musiker und ehemalige Theologiestudent Daniel Kulla möchte einen Überblick über die damalige Zeit und Luthers Position darin geben. Es wird um die Krise des Feudalismus gehen, um Luthers Rolle als Anstifter und dann Konterrevolutionär, um seine damit einhergehenden Feinderklärungen gegen Bauern, Juden, Türken und das Bier, um die Nachwirkung auf Fürstenherrschaft, Untertanen-Protestantismus und antisemitische Tradition, schließlich um die ständige Gefahr des Aufgreifens eines zurechtgemachten Luther durch nationalistische Bewegungen.

Weitere Veranstaltungen zum Thema

Im Rahmen der Kampagne Gegen die Helden hält Daniel Kulla diesen Vortrag am 5. Mai in Potsdam im Sputnik.
Am 6.5. hält Daniel Kulla diesen Vortrag in Eisenach.

Thinking about struggle

Samstag 19.11. – 14 Uhr – Harold & Maude, Sternstraße 14, Lutherstadt Wittenberg

Die Kämpfe von Geflüchteten, der vertrackte Umgang mit der Ideologie und dann auch noch die Umsetzung des Protestes in Kunst – an diesem Rundumschlag versuchen wir uns mit einer Veranstaltung am 19.11. in Wittenberg. Weshalb denn in Wittenberg? Wie in vielen anderen Orten häufen sich auch hierNaziübergriffe, wie auch in der Regionalzeitung nachvollzogen werden kann:

„Fünf Deutsche sollen in der Nacht zum 14. April (Donnerstag) Woche in der Wittenberger Lerchenbergstraße in die Wohnung eines 23-Jährigen aus Eritrea eingedrungen sein und den Mann mit Fäusten traktiert haben.“ (Mitteldeutsche Zeitung, 27.04.16)

„Eine Männergruppe hat in Wittenberg auf einen Mann aus Burkina Faso eingeschlagen und ihn ausgeraubt. Die fünf unbekannten Täter verletzten den 34-Jährigen so schwer, dass er stationär behandelt werden musste.“ (Mitteldeutsche Zeitung, 02.05.15)

„Einer der beiden Tatverdächtigen forderte mit einem Messer, von dem 34-Jährigen die Herausgabe von Bargeld, der dies jedoch verweigerte. Der zweite Tatverdächtige soll daraufhin ein Beil aus seinem Rucksack genommen haben. Durch beide Tatverdächtige wurden die beiden Somalis währenddessen ausländerfeindlich beleidigt und angespuckt.“ (Mitteldeutsche Zeitung, 21.09.16)

Damit reiht sich die Stadt ein in eine lange Liste von Orten, in denen die rassistische Stimmung in die brutale Tat umgesetzt wird. (Aktuelle Ereignisse des Landes sind dokumentiert im Artikel „Eskalation in Sachsen-Anhalt) Aktuell wird diskutiert, ob Flüchtlinge in Wittenbeg noch sicher wohnen können (Vgl. MZ-Artikel).
Auf der anderen Seite bestehen, wie vielerorts auch hier Zusammenschlüsse, die Geflüchtete unterstützen oder sich gegen Rassismus engagieren. Das Engagement von Einzelnen entschuldigt jedoch keineswegs die dahingehenden Defizite der staatlich organisierten Versorgung. Hinzu kommen systematische Schikane und Entrechtung durch Politik, Behördern und Polizei. Die eklatant mangelhafte Versorgung von Ankommenden und die Verschärfungen des Asylrechts (hier dokumentiert), die jeweils allein schon einen Skandal darstellen, sind Grund genug für Protest von allen, die dies mitbekommen. Doch viele „Supporter“ sind es nicht, die sich gemeinsam mit den Betroffenen empören. Vielmehr nimmt ein beachtlicher Teil der Deutschen jegliche Forderungen als „dreist“ wahr und wittert eine Bevorzugung der Flüchtlinge. Einer solchen gesellschaftlichen Stimmung, die sich nicht zuletzt im Zusammenhang mit den Wahlerfolgen der AfD artikuliert, ist nur schwer etwas entgegenzusetzen. Die Veranstaltung ist ein Versuch.
Lisa Thomas und Arash Dosthossein, die an den 2012 von Würzburg ausgehenden Refugee-Protesten beteiligt waren, stellen in einem Erfahrungsbericht dar, was sie dazu bewegt, Forderungen aufzustellen und diese in die Öffentlichkeit zu tragen. (Einige Positionen können bereits in diesem Artikel von Lisa Thomas nachgelesen werden.)
Im Anschluss gibt es einen Workshop, in dem die Teilnehmenden rechtes Gerede zur Debatte stellen können. Einzelne Aussagen werden auf Zetteln notiert und in ein Lostrommel geworfen. Daniel Kulla wird Entgegnungen vorstellen und erklären, wie die Aussagen und die mit ihnen verknüpften Weltbilder funktionieren.
Abschließend soll es um die praktische Seite von Prostest gehen. Ein Referent vom Graffitiarchiv stellt in seinem Vortrag den Zusammenhang von Graffiti und politischen Forderungen dar. Zusätzlich wird es eine Graffitiwand geben, an der Interessierte sofort loslegen können.

Luther und die Juden


Freitag, 21.02.2014
19 Uhr
Kirchliches Forschungsheim
Wilhelm-Weber-Straße 1a – 06886 Wittenberg

Hinweis: Die Veranstaltung wurde von der Evangelischen Akademie in das Kirchliche Forschungsheim verlegt.

Ankündigung einer Veranstaltung mit zwei Vorträgen zu Luthers Judenhass und dessen Bedeutung für den Protestantismus

Seit 2008 läuft im Vorfeld des 500. Jubiläums von Martin Luthers Thesenanschlag die sogenannte Lutherdekade. Innerhalb dieser zehn Jahre wird sein Wirken ausgiebig gewürdigt, gepriesen und verklärt. Die Präsenz des Reformators im Stadtbild der Lutherstadt Wittenberg wird weiter intensiviert. So wurde beispielsweise ein Luthergarten angelegt, dessen Zentrum Luthers Familienwappen bildet. Nicht nur dominiert er den öffentlichen Raum, auch als moralischer Mahner im Alltag wird Luther verwendet: Auf Containern klebt sein Konterfei über der Aufforderung, den Müll ordnungsgemäß zu entsorgen, um die Touristen nicht zu verschrecken.
Für die Wittenbergerinnen und Wittenberger ist Luther identitätsstiftend. Mit ihm identifizieren sie sich, wenn das ZDF unter dem Titel „Unsere Besten“ nach den wichtigsten Deutschen fragt und er auf Platz zwei landet. Luther ist nicht nur Gallionsfigur der evangelischen Kirche, sondern ist auch unabhängig von ihr zentraler Bezugspunkt der Stadt Wittenberg. Er ist der Beleg dafür, dass die Stadtgemeinschaft so irrelevant ja nicht sein könne.
Die Staatliche Geschäftsstelle „Luther 2017“ gestaltet den Hype aus. Die einhergehenden Veranstaltungen „wollen zeigen, dass die Lutherdekade – neben der Reflexion des Christseins – auch ein Grund zum Feiern ist.“ Da das Spektakel zu groß angelegt ist, um jeglichen Inhalt auszublenden, will man „Martin Luther, seinen Glauben und seine Ideen weiter erforschen“. [Zitate von http://www.luther2017.de/7427-die-lutherdekade-luther2017-500-jahre-reformation].
Auf ihrer Internetpräsenz finden sich, diesem Anspruch folgend, allerlei Informationen um und über Luther.
Wer nach Hintergrundinformationen zu Luthers Haltung gegenüber Juden sucht, gelangt zu einem Text, der im Folgenden zur Motivation einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema herangezogen wird.
[ http://www.luther2017.de/en/22477/jesus-christ-was-born-jew-%E2%80%93-martin-luther-and-jews – Die deutsche Fassung ist seit kurzem nicht mehr erreichbar.] Der pensionierte Pfarrer und Religionslehrer Hanns Leiner betätigt sich hier als Verteidiger des Reformators. Nach der üblichen Distanzierung vom Spätwerk wird zunächst der historische Kontext festgestellt:

„His anti-Jewish statements were connected to the general Christian anti-Judaism of the Middle Ages since the crusades. We find similar and even more extreme words uttered by his adversaries, for example Johannes Eck from Ingolstadt. Not even Erasmus of Rotterdam, a man who stands very much for religious tolerance, was free from this attitude. It also was not a specifically German thing. During the previous centuries, the countries of Western Europe had dispelled all Jews from their lands […].“

Hier stellt er zunächst klar, dass damals alle irgendwie mehr oder minder judenfeindlich waren. Dazu kommen dann noch Luthers schlechte persönliche Erfahrungen. Offensichtlich kann man dem Vorwurf des Antisemitismus nicht nur mit Beteuerung der persönlichen Freundschaft zu Juden begegnen, sondern auch mit persönlicher Feindschaft entschuldigen. Im Wissen dieser Faktoren kann der Autor dann doch Empathie aufbringen:

„If one also takes into consideration the difficult situation of the Protestant church in the 1540s, Luther’s age and his numerous health problems, as well as his end-time mood, one finds many reasons that will by no means justify his harsh tone, but nevertheless make it appear as more comprehensible.“

Ganz besonderen Wert legt Leiner darauf, dass Luther nie zum Mord an Juden aufrief. Außer halt in den Tischreden, wo es heißt:

„Ein anderer erzählte viel von den Gotteslästerungen der Juden und fragte, ob es einem Privatmann erlaubt sei, einem gotteslästernden Juden einen Faustschlag zu versetzen. Er ( nämlich Luther d. V.) antwortete: Ganz gewiss! Ich wollte einem solchen eine Maulschelle geben. Wenn ich könnte, würde ich ihn zu Boden werfen und in meinem Zorn mit dem Schwert durchbohren. Da es nämlich nach menschlichem und göttlichem Recht erlaubt sei, einen Straßenräuber zu töten, viel mehr einen Gotteslästerer.“
(Tischrede vom Frühjahr 1543. Nr. 5576. WA TR 5.257,11-31. zit. bei Bienert, Walther (1982). Martin Luther und die Juden. Frankfurt a. M.: Evangelisches Verlagswerk, S.172)

Von den Juden und ihren Lügen
Bildquelle: Wikimedia
Alles in allem, findet Leiner, seien Luthers Äußerungen über die Juden scharf zu kritisieren. Aber auf der anderen Seite wusste Luther, anders als viele in unseren heutigen, relativistischen Zeiten, zumindest woran er glaubte und wofür es sich lohnte, zu kämpfen:

„For us today, who have been infected by the modern relativism of truth, Luther may even become a role model here. He knew what he believed and was ready to fight for it and to defend it against possible objections and disputes.“

Abgesehen von diesem außergewöhnlich kruden Abschluss, ist diese Darstellung exemplarisch für den derzeitigen Umgang mit Luther, der zur ausstrahlungskräftigen Ikone stilisiert wird, ohne dass eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung stattfindet.
Um Einwände gegen den rein apologetischen Bezug auf Luther vorzubringen, lädt der Arbeitskreis Zweifel und Diskurs ein zu einem Abend über Luthers Judenhass und dessen Bedeutung für den Protestantismus. Zum Thema sprechen werden Andreas Pangritz (Universitätsprofessor für Systematische Theologie in Bonn) und Jörg Finkenberger (Jurist und Rechtshistoriker).

Zum Vortrag von Prof. Dr. Andreas Pangritz:

Léon Poliakov schreibt in seiner Geschichte des Antisemitismus über Martin Luther: „Im Antisemitismus … zog das religiöse Motiv, die Rechtfertigung durch den Glauben, eine Ablehnung der Werke nach sich, jener Werke, die unzweifelhaft jüdischer Prägung sind … Muß vielleicht ein wirklicher Christ, der seinen Gott in der Weise eines Martin Luther anbetet, nicht schließlich unvermeidlich die Juden aus ganzer Seele verabscheuen und sie mit allen Kräften bekämpfen?“
Sollte Poliakov recht haben, dann wäre an das Christentum zumindest in seiner lutherischen Variante die kritische Frage zu stellen, wie es sich zu Luthers Antisemitismus stellt. Luthers aggressiv judenfeindliche Spätschriften wie z.B. „Von den Juden und ihren Lügen“ (1543) sind berüchtigt; sie konnten von den Nationalsozialisten problemlos als Begründung für ihren „Erlösungsantisemitismus“ – Erlösung durch Vernichtung der Juden – in Anspruch genommen werden.
Dennoch hat sich lutherische Theologie im allgemeinen dagegen gewehrt, Luther als Antisemiten zu bezeichnen. Dabei wird großer Wert auf die Unterscheidung einer religiös begründeten Verachtung gegenüber den Juden, die man dann Antijudaismus nennt, von dem modernen, rassenbiologisch begründeten Antisemitismus gelegt. Auch wird betont, dass der jüngere Luther in seiner Schrift „Daß Jesus Christus ein geborener Jude sei“ (1523) eine eher judenfreundliche Haltung gezeigt habe.
Der Vortrag wird anhand von Luthers sog. „Judenschriften“ erneut die Frage aufwerfen, wie Luthers Stellung gegenüber den Juden einzuschätzen ist: Wie ist die Judenfeindschaft bei Luther theologisch begründet? Kann und muss sein Judenhass als Antisemitismus bezeichnet werden?

Zum Vortrag von Jörg Finkenberger:

Luthers Judenhass ist an seinem Werk nicht eine Nebensache, sondern reicht in den Kern. Das wirft weitgehende Fragen auf. Wie kann eine Reformation des Christentums gedacht werden ohne Hass auf die Juden? Wie tief steckt der Judenhass im Christentum, und in den christlich geprägten Gesellschaften? Alle seitherige Geschichte hat wenig Anlass zur Hoffnung gegeben. – Die Wurzeln des Judenhasses im Christentum rühren an Grundsätzlichem. Christlicher Antijudaismus macht an der hartnäckigen Verweigerung der Juden fest, was allgemein der Fall ist: Die verheißene Erlösung ist nicht eingetreten. Die Verschiebungen, die die ausgebliebene Erlösung im Bau der christlichen Kirche erzwungen hat, treten in Widerspruch zu den inneren Inhalten des Glaubens. Die Reformation war angetreten, auf diesen Widerspruch zu reagieren. Das Misslingen der Reformation ging einher mit radikaler Eskalation des Judenhasses. Wie tief muss die Kritik der christlichen Religion ansetzen? – Zu allem Unglück scheinen die Kriterien der Religionskritik, die im Anschluss an die Aufklärung entwickelt worden sind, von derselben Schwäche befallen. Das Verhältnis der Junghegelianer zum Judentum erweist sich bei näherem Zusehen als das Selbe wie das des von ihnen kritisierten Christentums. Von wo aus kann der Ausweg gefunden werden? Wie können die Begriffe der Theologie in ein richtigeres Verhältnis zueinander gesetzt werden?

Die Veranstaltung findet am 21. Februar 2014 im Kirchlichen Forschungsheim, Wil­helm-​We­ber-​Stra­ße 1 in 06886 Wittenberg statt. Beginn des ersten Vortrags ist 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Workshop zu Antisemitismus

Am 6.12. findet in Wittenberg ein vielversprechender Workshop rund um Antisemitismus und Israelkritik statt. Weitere Infos gibt es auf der Seite des Veranstalters „ConAct – Deutsch-Israelischer Jugendaustausch“ :

Hier anmelden

Die Teilnahme an dem Workshop ist dank der finanziellen Unterstützung der Amadeu Antonio Stiftung kostenfrei. Anmeldeschluss ist der 28. November 2011.

Infos zum Seminar ‚Facetten des Antisemitismus‘

Wann?
27.-28.08.2011 jeweils 14:00 – 18:00
Wo?
kirchliches Forschungsheim
Wilhelm-Weber-Str. 1a
Lutherstadt Wittenberg
Was?
Seminar mit Micha Böhme und Martin Dornis

Hier der Reader zum Seminar:
Reader FdA

Es wird um 2€ Unkostenbeitrag für Materialien gebeten. Am Samstag Abend ist gemütliches Grillen im Garten angedacht.

Anmeldungen und Fragen bitte an zweifelunddiskurs@gmx.de

Für Gäste von nah und fern: Es gibt eine
Jugendherberge
in der City. Für aus Berlin Anreisende ist vielleicht interessant, dass das Brandenburg-Berlin-Ticket der Bahn bis Wittenberg gültig ist, also bis zu 5 Personen für 28€ nach Wittenberg (und falls nur Tagesgäste, auch wieder zurück) fahren können.

Flyer

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In Verhältnissen dieser Art

So betätigt sich die wittenberger Jugend, da in Ermangelung an Gedenkstätten in der näheren Umgebung so etwas nicht ohne gewisse Wege zu bewerkstelligen ist. Dass die Gesinnung hierbei nicht die Hürde ist, verdeutlichen hunderte Aufkleber antisemitischen und rassistischen Inhalts, in die Jugendliche ihr Taschengeld investieren, um sämtliche Laternen und Ampeln der Stadt zu verunstalten. Gern wird auch zur Spraydose gegriffen, um zu zeigen, woher der Wind in der Provinz weht.
Auch online sind wittenberger Nazi-kids nicht untätig und präsentieren sich stolz als „Cockz ´n Countz“-Gang. Entsprungen aus der „Reisegruppe unsympathisch“, die noch aus einer Hand voll gescheiterter Trunkenbolde bestand, rotten sich in der neuen Version des rechtsextremen Sammelbeckens immer mehr Jugendliche zusammen, die in das rebellische Image und das homogene Kollektiv (mit eigenen Hoodies!) Halt projezieren. Trotzdem handelt es sich hierbei keineswegs nur um aggressive Pubertierende, die sich hobbymäßig in schlechten Discos betrinken; ständiges Skandieren rechter Parolen und Drohungen gegen Menschen, die nicht ins faschistische Weltbild passen, sind keine harmlosen Rüpeleien, sondern gefährlich und absolut inakzeptabel.

Facetten des Antisemitismus

Ein Grund zur Vorfreude:
Nach dem erfolgreichen Projekttag ‚Einführung in die Gesellschaftskritik‘ im letzten Jahr möchten wir nun das Thema Antisemitismus aufgreifen. In einem Wochenendseminar am 27./28. August werden wir uns mit Hilfe von zwei ReferentInnen in das Thema einarbeiten. Diskutieren wollen wir den Begriff Antisemitismus, das Geschichtsverständnis der Kritischen Theorie, sowie Teile der ‚Elemente des Antisemitismus‘ von Adorno und Horkheimer. Näheres zu Termin und Programm folgt.

Der Hype überdauert die Gartenzwerge

Beim Wandeln durch Wittenberg bei Nacht steht man nun endlich keinem gruseligen Heer von Luthergartenzwergen gegenüber, doch wer denkt, damit wär der peinliche Hype erledigt, irrt:

„Für Stefan Rhein, Leiter der Geschäftsstelle Luther 2017 in Wittenberg, stand das Fazit seines Besuches beim Kulturausschuss des Bundestages schon vor dessen Sitzung fest: „Die Botschaft ist, dass der Bund das Thema Reformationsjubiläum als nationales Anliegen versteht.“ So kam es dann auch: Mit 35 Millionen Euro will Berlin das Jubiläum unterstützen. “ (MZ online)

Jährlich 5 Millionen Euro mehr können so ausgegeben werden, um eine ganze Stadt in allen Facetten zur Lutherstadt zu machen.
So wird weiter gefeiert, nicht zu Unrecht sieht man sich als rechtmäßige Erben des großen Reformators. In diesem Sinne wird jährlich in Lumpen durch die Stadt gezogen und die Zivilisation verpönt. Luthers Thesenanschlag wird in Wittenberg als Knackpunkt der deutschen Geschichte wahrgenommen und die Abspaltung der evangelischen Kirche als Meilenstein der Emanzipation begriffen. Luthers Gedanken zum mündigen Individuum sehen um einiges anders aus:

„Drum soll hier zuschmeißen, würgen und stechen, heimlich oder öffentlich, wer da kann, und gedenken, dass nichts Giftigeres, Schädlicheres, Teuflischeres sein kann, denn ein aufrührischer Mensch. Gleich als wenn man einen tollen Hund totschlagen muss …“ (Luther -1525, Tomos 3, S. 124)

Von dieser Gefahr des kritischen Denkens ist Wittenberg weit entfernt. Neue Ausmaße erreicht der Personenkult mit der Lutherdekade, welche die Stadt bis 2017 beseelen soll. So verwandeln sich nun auch die wenigen Orte, die bisher vom Lutherpathos verschont blieben, beispielsweise in einen Luthergarten.

„Dagegen [gegen die Renaissance; Z&D] hebt sich nun die deutsche Reformation ab als ein energischer Protest zurückgebliebener Geister, welche die Weltanschauung des Mittelalters noch keineswegs satt hatten und die Zeichen seiner Auflösung, die außerordentliche Verflachung und Veräußerlichung des religiösen Lebens, anstatt mit Frohlocken, wie sich gebührt, mit tiefem Unmute empfanden. Sie warfen mit ihrer nordischen Kraft und Halsstarrigkeit die Menschen wieder zurück, erzwangen die Gegenreformation, das heißt ein katholisches Christentum der Notwehr, mit den Gewaltsamkeiten eines Belagerungszustandes und verzögerten um zwei bis drei Jahrhunderte ebenso das völlige Erwachen und Herrschen der Wissenschaften, als sie das völlige In-Eins-Verwachsen des antiken und des modernen Geistes vielleicht für immer unmöglich machten.“ (Friedrich Nietzsche – Renaissance und Reformation)

So ist der kleinste gemeinsame Nenner aller politischen und kulturellen Akteure des Städtchens nicht nur die Heroisierung eines erbitterten Antisemiten, sondern damit die Verdammung des Fortschritts und der Aufklärung. Der Fokus auf Luther verdeutlicht, dass zum Beispiel das humanistische Gedankengut seines Zeitgenossen Philipp Melanchthon kaum gewürdigt wird.
So erkennt sogar Landesbischof Dr. Johannes Friedrich:

„Und darum hat sich Melanchthon auch nachdrücklich – im Unterschied zu den
meisten seiner Zeitgenossen – für die Juden eingesetzt und ihre Ansiedlung in
Brandenburg unterstützt. Die Wertschätzung ihrer Sprache und ihrer Kultur und damit
auch der Menschen jüdischen Glaubens gehört zur Bildung[…]“.

Doch in Wittenberg wurde, offiziell durch eine Fusion mit dem Martin-Luther-Gymnasium, das ehrwürdige Philipp-Melanchthon-Gymnasium geschlossen. Wen wundert, dass die Bürger Wittenbergs gemeinsam hinter ihrem großen Helden stehen, dessen Erbe keinerlei Anforderung in Sachen Aufklärung beinhaltet, wie es bei progressiven Geistern der Fall wäre. Wen wundert da, dass die Wittenberger ihren Luther als Exportschlager begreifen:

„Um in Berlin ständig 2017-Flagge zu zeigen, wird die Stadt Wittenberg dem Bundestagspräsidenten noch in diesem Monat übrigens einen Lutherbotschafter verehren – einen schwarzen, versteht sich. “ (MZ-online)

Einführung in die Gesellschaftskritik

Am 4. September möchten wir mit euch zusammen einen Projekttag in Wittenberg gestalten, um uns mit Grundlagen der Kritik von Gesellschaft (also auch Staat, Kapital etc.) zu befassen.
JedeR InteressierteR ist ganz herzlich eingeladen. Die Vorträge erfordern kein spezifisches Vorwissen, da wir jedeR die Möglichkeit bieten wollen, sich an das Thema heran zu tasten. Den Ablauf stellen wir uns so vor:

13:00 Uhr – Soziokulturelles Jugendzentrum Pferdestall


Anfangs soll ein Überblick linker Kritik gegeben werden, beginnend mit Karl Marx, über Vertreter der Frankfurter Schule bis zu heutigen Strömungen.

Anschließend gibt es einen Vortrag von Daniel Kulla mit dem Titel „Entschwörungstheorie“, der zeigen soll, wie Verschwörungsdenken den politischen Alltag prägt und so Kritik zu Ideologie werden kann.
Danach wird Boris Krumnow über Geschichte und Theorie der Antideutschen sprechen.
Hier soll erläutert werden, wie Stimmen gegen regressive Kapitalismuskritik laut wurden und was diese mit Deutscher Ideologie zutun hat.

Der Projekttag soll in zwei Seminarblöcke gegliedert sein, getrennt von einer Mittagspause. Im Anschluss gibt es bei Bedarf reflektierende Diskussionen.

Falls ihr noch Fragen, Anregungen oder Kritik habt, dann schreibt uns einfach.

Wir freuen uns auf einen informativen und kritischen Tag mit euch
Arbeitskreis Zweifel und Diskurs

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